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    Eine Einführung in die Erlebnispädagogik

    Veröffentlicht am 15.07.2017

    Zu Lerntheorien besteht eine Vielzahl an Ansätzen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem praxisnahen Zugang zum Lernen, nämlich dem erlebnispädagogischen.

    Unter Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Methode, welche ursprünglich in der Reformpädagogik als Gegenbewegung zum „verkopften“ Lernen in Schulen Ausdruck fand. Heutzutage wird der Begriff größtenteils im außerschulischen Bereich – vor allem in der Jugendarbeit – benutzt. Dort herausgearbeitete Angebote gestalten sich genauso vielfältig wie die potentiellen Zielgruppen. Überwiegend richten sich die Programme an Jugendliche. Darüber hinaus entstehen jedoch auch Angebote in der Erwachsenenbildung, im therapeutischen Bereich oder auch für Menschen mit Handicaps. Bis heute überwiegen natursportliche Aktivitäten. Allerdings sind so genannte urbane Programme, welche als Erlebnisraum die Stadt verwenden, immer mehr auf dem Vormarsch. Auch in der Schule werden erlebnispädagogische Elemente – insbesondere im Sportunterricht, auf Ausflügen und zu geringem Teil im regulären Unterricht – eingeflochten.

    Mit der Hilfe von Erlebnissen lernen

    Hauptthese der Erlebnispädagogik ist, dass besondere Erlebnisse sich tief einprägen und lange Nachwirkungen für den Praktizierenden mit sich bringen. Mit Hilfe dieser prägenden Eindrücke sollen Lernprozesse Linie initiiert werden. Angestrebt werden Entwicklungen in Verhalten, Denken und Fühlen. Diese beinhalten individuelle, soziale, sachliche und ökologische Lernziele. Dabei werden die Lerninhalte nicht allein theoretisch vom Pädagogen vorgegeben, sondern sie sollen ganzheitlich erfahrbar sein und sich aus einer realen Situation heraus ergeben. Der Sinn und Zweck des Erlernten soll auf diese Weise unmittelbar nachvollziehbar werden. Der Großteil erlebnispädagogischer Angebote ist für Gruppen konzipiert. Denn die Gruppe bedingt soziales Lernen und ist zugleich Grundvoraussetzung für individuelle Lernerfolge.

    Als Mittel der Erlebnispädagogik gelten (Extrem-)Sportarten wie z. B. Klettern, Segeln, Kajakfahren und Bergwandern, aber auch Kooperations- oder Initiativspiele. Verschiedene Modelle vermitteln unterschiedliche Lernansätze, auf welche Art und Weise diese Aktivitäten am effektivsten zu langanhaltenden, alltagsnahen Lernerfolgen führen. Die Funktion des Pädagogen ist daher variierend. Entscheidend für erlebnispädagogische Angebote sind allerdings, im Unterschied zu reinem „Fun-Sport“, die stets mit pädagogischer Zielsetzung verbundenen Aktivitäten.

    Wie bereits erwähnt, stellt die Erlebnispädagogik eine handlungsorientierte Methode dar. Mittels dieser soll der Mensch die Möglichkeit bekommen, in einer Gruppe oder auf sich selbst gestellt, seine Fähigkeiten und Qualitäten in Erlebnissituationen einzubringen und auf diesem Wege seine Schwächen zu entdecken und proaktiv an ihnen zu arbeiten.

    Unter welchen Bedingungen wird eine Situation zu einem Erlebnis?

    Täglich erleben wir Menschen, viele Dinge, jedoch scheint ein singuläres Erlebnis für uns einen ganz besonderen Stellenwert zu haben.

    Erleben ist also etwas Subjektives. Es ist persönliches, inneres Erleben. Als intensiv erlebt wird es dann wahrgenommen, wenn eine Bedeutung oder ein Sinn mit dem individuellen Erleben zu verbinden sind. Dazu können bewusste, aber auch eher unbewusste Abläufe – z. B. Wünsche – zählen. Vor allem sinnlich erfahrene Ereignisse, welche direkt vor Ort stattfinden, sind damit gemeint. Dies sind Erfahrungen, die konventionell interpretiert werden oder Anlass für Reflexionen sind.

    Der erlebnisorientierte Pädagoge oder Therapeut fungiert dabei als ein Erlebnis Einleitender und für gewisse Rahmenbedingungen Sorge Tragender. Diese sollen dem Teilnehmer Erlebnisse überhaupt ermöglichen und ihn sodann bei seinem Lernprozess unterstützen. Um angestrebte Lernvorgänge voranzubringen, ist es angebracht, eine Reflexion über das Erlebte durchzuführen. So können aus Erfahrungen Einsichten und Erkenntnisse entstehen.

    Die Erlebnispädagogik ist in ihrem theoretischen Hintergrund schwer zu verstehen. Bereits Jean-Jaques Rousseau (1712 – 1778) betrachtete Handeln, Erleben und Erfahren als wichtige Voraussetzungen des Lernprozesses. Angeleitet von Neugierde und Bewegungsdrang soll das Kind mit selbst verantworteten Ereignissen konfrontiert werden. In erster Linie sollen so die Natur oder „Dinge“ zum eigentlichen Erzieher werden. Es verbleibt allerdings die kritische Frage, ob der Erzieher nicht Situationen beeinflusst oder gar manipuliert, um seine Sicht der Dinge durchzusetzen.

    Henry David Thoreau (1817 – 1862), seines Zeichens Philosoph, Pädagoge, Naturmensch und Einzelgänger, zog für zweieinhalb Jahre in eine Blockhütte am Ufer eines Waldteiches in Concord, Massachusetts. Sein bewusster Rückzug aus der Zivilisation war durch zweierlei begründet: Zum einen kritisierte er die gesellschaftliche Situation scharf, warf den Menschen vor, ihre Zeit mit zu harten und groben Arbeiten zu verschwenden, um bloß Geld anzuhäufen, was sie letztlich davon abhielt, sich persönlich weiterzuentwickeln und ihre „edleren Früchte“ zu ernten. Zum anderen erkrankte er nach dem Tod seines Bruders an einer Depression und suchte durch sein einsames Handeln nach Heilung. In seinem Erfahrungsbericht „Walden oder leben in den Wäldern“ hält er die wesentlichen Erlebnisse und Gedanken seines Experimentes fest.

    Thoreau war davon überzeugt, dass der Mensch sich selbst am besten kennenlernt, wenn er alleine ist und an seine existenziellen Grenzen stößt. Somit sah er die Natur als die größte Erzieherin der Menschheit an. Laut Thoreau ist es einem Menschen nicht möglich, alleine zu sein, wenn dieser sich nicht im seelischen Gleichgewicht befindet. Die meisten Menschen seien nicht in der Lage, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie seien ständig auf der Suche nach Gesellschaft, selbst wenn sie sich in dieser einsamer fühlten als alleine.

    Thoreaus Thesen sind fundamental für die Erlebnispädagogik in annehmendem wie ablehnendem Sinne geworden. Er will aufzeigen, wie sehr sich ein Erlebnis – als eine Auszeit vom gewohnten sozialen Umfeld und den alltäglichen Verpflichtungen – als innerer Perspektivwechsel inszenieren kann. Der selbsterfahrene Mensch nehme sich anders wahr, stoße an seine Grenzen, sein Leben würde existenzieller und dadurch bewusster. Diese Ansicht teilen fast alle Erlebnispädagogen. Allerdings ist in diesen Ausstiegsversuchen ein soziales Defizit zu erkennen. Denn sie zielen auf individuelle Grenzerfahrungen, in welchen das Gegenüber bzw. der Rest der Gruppe leicht übersehen bzw. übergangen wird. Im Unterschied zu Rousseau, dessen individualisierendes Beispiel des „Emile“ gleichzeitig mit seinem „Contrat Social“ als Bekenntnis zu einer solidarisch ausgerichteten Gesellschaft mit Begrenzungen des individuellen Eigentums und wechselseitiger Bereicherung veröffentlich wurde, ist Thoureaus „Walden“ ein romantisierender Versuch der Mystifizierung des Subjekts. Der Konditionierungspsychologe Skinner hat in seinem Buch „Walden II“ zwar das Soziale in diesen Naturzustand wiedereingeführt, es jedoch auf die Spekulation einer allumfassenden Konditionierung eines in allen sozialen Bezügen richtig erzogenen Individuums bezogen. Dieses sollte als eine Art Abbild bzw. Spiegel einer idealisierten kleinbürgerlichen amerikanischen Gesellschaft fungieren.

    Erlebnistherapie nach Kurz Hahn

    Der Reformpädagoge, Kurt Hahn (1886 – 1974), welcher als Begründer der Erlebnispädagogik gilt, führte den Begriff der Erlebnistherapie ein. Dies sollte auf eine tiefgehende sowie umfassende Bedeutung des Erlebnisbegriffs hindeuten. Auch hier wird allerdings ein spekulatives Weltbild, welches einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit therapeutischen Arbeiten aus dem Weg geht, geschaffen. Letztlich wird hier keine Therapie beschrieben, sondern vielmehr eine Erwartung an bestimmte Erlebnisse formuliert und als sinnvoll postuliert. Die Anknüpfung an Rousseaus Subjektposition des Kindes und die Betonung einer Eigenwelt des Kindes schien bereits hinreichender Garant gegen scheinbar willkürliche Forderungen der Erwachsenwelt gegen das Kind.

    Vor dem Hintergrund unserer schnelllebigen und bequem gewordenen Gesellschaft, in welcher der freiwillige Bewegungsradius vieler Kinder und Jugendlichen auf das Bedienen bestimmter Medien beschränkt zu sein scheint, sollte der Blick verstärkt auf körperliche, ausdrucksvolle Bewegungserfahrungen und entsprechendes Lernen geworfen werden.

     

    Von Frederik Heckeroth, unserem Konrektor für Nachhilfe in Mannheim.

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