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    Parentifizierung – wenn Kinder die Verantwortung für die Eltern übernehmen

    Veröffentlicht am 07.08.2015

    Parentifizierung ist der Fachbegriff für ein Phänomen, das in unserer Gesellschaft und auch während unserer Nachhilfe in Düsseldorf & Umgebung immer häufiger auftritt: Wenn Eltern den Anforderungen des Alltags ganz oder teilweise nicht gewachsen sind, übernehmen Kinder die Verantwortung. Reicht die Überforderung der Eltern soweit, dass diese zudem noch ihr eigenes Wohlbefinden oder ihre Stimmungen nicht mehr in den Griff bekommen, also ein psychisches Krankheitsbild vorliegt, fühlen die Kinder sich auch hierfür noch verantwortlich oder gar schuldig.

    Die Konsequenz: Für eine kindgerechte Lebensführung mit Hobbies, Freunden und unbeschwertem Spielen bleibt keine Zeit bzw. kein Raum für emotionale Momente.

    Wie kommt es zu Situationen, in denen Eltern dauerhaft unfähig sind, ihre Verantwortlichkeiten zu übernehmen und auszufüllen?

    Die Ursachen hierfür sind sicherlich vielfältig. Psychologisch betrachtet liegen sie jedoch meist in der eigenen Kindheit begründet. Kommen dann im privaten wie beruflichen Leben unvorhergesehene Probleme dazu, geraten manche Menschen in eine Abwärtsspirale immer weiter abnehmender Kraft und Energie und immer weiter zunehmender Überforderung – die Probleme nehmen zu und die Fähigkeit, sie in den Griff zu bekommen, ab.

    Kinder werden hier teils von den Eltern ausdrücklich aufgefordert, bestimmte Aufgaben im Alltag zu übernehmen, teils tun sie dies aber aus eigenem Antrieb, da sie sich für das Wohlergehen der Eltern und der gesamten Familie verantwortlich fühlen.

    Langfristig hat das zwei Folgen:

    • Diese Kinder werden früh erwachsen und lernen Verantwortung für sich, ihr Leben und ihr soziales Umfeld zu übernehmen. Im späteren Leben sind das meistens Menschen, die ihr Leben gut organisiert bekommen.
    • Auf der anderen Seite tragen diese Kinder schon sehr früh eine emotionale Last, die sie auch als Erwachsene noch dazu treibt, ein vor allem „pflichterfülltes“ Leben zu führen. Da sie als Kinder kaum Erfahrungen emotionaler Unbeschwertheit machen konnten, sind sie auch als Erwachsene häufig nicht in der Lage, sich um die eigene emotionale Ausgeglichenheit zu kümmern.

    Parentifizierung wird von außen nur selten bemerkt, und die betroffenen Kinder selbst nehmen meist nicht bewusst wahr, welche Verschiebungsprozesse in der Familie vor sich gehen. Und selbst, wenn sie bemerken, dass etwas grundlegend nicht stimmt in der Familie, sehen sie kaum Möglichkeiten, sich Hilfe zu suchen, wenn sie sich überfordert fühlen.

    Um Parentifizierung feststellen zu können und Kindern wirksame Unterstützung zu bieten ist es erforderlich, den Begriff klar zu definieren und abzugrenzen.

    Definition: Parentifizierung

    Parentifizierung oder Parentifikation (lateinisch parentes „Eltern“, facere „machen“) beschreibt die Umkehrung der Rollen von Elternteilen und Kind. Parentifizierung geht meist mit einem psychisch erkrankten Elternteil einher. Kinder übernehmen eine für sie unzumutbare und überfordernde Elternrolle ein und fühlen sich in vielen Bereichen für das Wohlergehen Aller hauptverantwortlich. Des Weiteren werden sie zu Vertrauenspersonen und Ratgebern bei Problemen ihrer Eltern. Sie leisten Unterstützung und Trost in jeglicher Hinsicht (vgl. Plass 2012, S.29). Das „Erwachsensein“ wird von heute auf morgen erzwungen, was eine Überforderung zur Folge hat. Eine altersgerechte kindliche Entwicklung kann somit nicht mehr stattfinden. „Die Kinder übernehmen die Aufgaben, wenn die Eltern ihre Bedürftigkeit explizit, implizit oder nonverbal signalisiert haben und damit Verantwortung für das Wohlbefinden der Familie abgeben“ (Lenz 2005, S.184)

    Destruktive/Adaptive Parentifizierung

    Hier gilt es zwischen adaptiver und destruktiver Parentifizierung zu unterscheiden. Von adaptiver Parentifizierung spricht man, wenn betroffene Kinder nicht vollständig von ihrer elterlichen Rolle eingenommen werden, ihre Bedürfnisse trotzdem beachtet werden und die Erfüllung der Aufgaben geschätzt wird. Zudem erhalten sie selbst Unterstützung. Von destruktiver Parentifizierung hingegen spricht man, wenn Eltern ihre Eltern-Rolle an ihre Kinder vollständig abgeben, ohne diesen selbst Unterstützung zukommen zu lassen. Auch zeigt ein Kind Überverantwortlichkeit bei der Aufgabenübernahme, wenn es keine Beachtung bekommt (vgl. Jurkovic 1997, S. 199 zit. n. Lenz 2005, S. 212). Hierbei fühlen sich Kinder oft unentbehrlich.

    Instrumentelle/emotionale Unterstützung

    Parentifizierte Kinder übernehmen sowohl eine instrumentelle als auch emotionale Unterstützung des erkrankten Elternteils. Eine instrumentelle Unterstützung zeichnet sich durch die Übernahme von nicht altersgerechten Aufgaben im Haushalt aus, wie zum Beispiel Wäsche waschen oder die Kontrolle über Medikamenteneinnahme zu behalten. Hinzu kommt die vollständige Übernahme der Alltagspflichten. Bei der emotionalen Unterstützung hingegen geht es um die Vermittlung von Stabilität, Geborgenheit und emotionalem Rückhalt, welche vom Kind ausgehen. Außerdem gelten diese Kinder als wichtige Ansprechpartner des psychisch kranken Elternteils (vgl. Lenz 2005, S. 184,185). Auch emotionale Unterstützung kann Kinder maßlos überfordern.

    Welche negativen Prägungen zeigen parentifizierte Kinder und was sind Warnsignale?

    Um Signale möglichst frühzeitig zu erkennen, ist es wichtig, zwischen instrumenteller und emotionaler Unterstützung zu unterscheiden und gezielt Hilfe zu leisten. Parentifizierte Kinder entwickeln und zeigen meist eine ausgeprägte Empathie und Sensibilität. Da sie sich für den psychisch kranken Elternteil verantwortlich fühlen, reagieren sie sehr schnell auf dessen Gefühle und Äußerungen. Außerdem werden diese Kinder oft zum Sündenbock der Familie. Infolge dessen fühlen sie sich schuldig für jeden Streit in der Familie. Um diesen zu verhindern, versuchen die Kinder dann, alle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Hiermit zwingen sie ihre Eltern, sich mit ihren Problemen zu beschäftigen. „Beide werden zur Zusammenarbeit gezwungen, da sie nur so das Verhalten ihrer Kinder kontrollieren und die von ihnen außerhalb der Familie erzeugten Schwierigkeiten bewältigen können.“(Textor, Martin R., Kindergartenpädagogik – Online-Handbuch – „Familien mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen“ Online: http://www.kindergartenpaedagogik.de/37.html)

    Dieses verlangt den Kindern ebenfalls Empathie und Sensibilität ab, um auf Unstimmigkeiten schnell zu reagieren und Konflikte möglichst zu vermeiden. Zudem entwickeln diese Kinder eine Überreife, die nicht altersgemäß ist.

    Positive Auswirkungen durch Parentifizierung

    Im Vergleich dazu kann sich Parentifizierung teilweise auch positiv auf Kinder auswirken. Durch die Verantwortung, die sie übernehmen, kann ihr Selbstbewusstsein gestärkt werden. Außerdem kann es ihre psychosoziale Entwicklung positiv beeinflussen. Im späteren Alter finden sie sich besser zurecht, da sie durch die Aufgabenübernahme schon viele Erfahrungen gesammelt haben.

    Wege aus der Krise

    Zu Beginn sollte zwischen Kind und Elternteilen eine Transparenz und Akzeptanz hinsichtlich der psychischen Erkrankung geschaffen werden. Hierzu bedarf es einer familiären Aussprache, in der offen über die Krankheit der Eltern gesprochen wird. Diese kann durch einen Sozialarbeiter, eine Sozialarbeiterin angeleitet und unterstützt werden. Dieser Punkt ist Voraussetzung für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Elternteilen, Kindern und Sozialarbeiter/innen.

    Kinder leiden durch die Parentifizierung, wie oben beschrieben, oft an einer Entwicklungsstörung. Präventiv, aber auch aktuell gilt es, die fehlende Entwicklung durch alterstypische Entwicklungsaufgaben und Bewältigungsmöglichkeiten anzubieten (vgl. Wiegand-Grefe 2011, S. 36). Entwicklungsaufgaben könnten Beispielsweise sein, ein Treffen mit einem Freund zu organisieren und zu erleben oder aber einem Hobby nachzugehen. Aufgaben wie diese sollten regelmäßig stattfinden, damit ein von Parentifizierung betroffenes Kind seine Kindheit trotz erkranktem Elternteil erleben kann. Dieses kann auch als Ressourcenaktivierung bezeichnet werden. Die Gefühle und Gedanken der Kinder drehen sich meist um Trennungsangst, Verlustangst, Wut auf den erkrankten Elternteil und Schuldgefühle. Bewältigungsmöglichkeiten sollten Kindern sprachlich und einprägsam vermittelt werden. Hilfe erhalten betroffene Kinder auch in einer sogenannten AURYN-Kindergruppe. Hier werden Ziele, wie zum Beispiel Aufbau des Selbstwertgefühls und die Entlastung von Schuldgefühlen, angestrebt. „Um den Kindern den Zugang zu ihren Erlebnissen, Gefühlen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen und Lösungsideen zu erleichtern bzw. überhaupt zu ermöglichen, werden verschiedene Medien und Techniken eingesetzt: Geschichten, Fantasiereisen, Rollenspiele, kreatives Malen und Zeichnen sowie psychomotorische Übungen und Interaktionsspiele“(Lenz 2007, S.127). Ein Besuch einer solchen Gruppe kann dem Kind schon durch den Kontakt mit gleichaltrigen Kindern Einsamkeit, Hilflosigkeit und Ängste nehmen.

    Ein Beitrag unsere Konrektors für den Großraum Düsseldorf, Frank Niessing und Rahel Niessing.

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    Quellen:

    http://www.scheidung.de/scheidungsnews/parentifizierung-kinder-als-partnerersatz.html

    http://www.kindergartenpaedagogik.de/37.html

    „Kinder psychisch kranker Eltern Jahr “ (2012), Plass und Wiegand-Grefe

    „Kindergartenpädagogik – Online-Handbuch -„, Martin R. Textor

    „Familien mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen“, Martin R. Textor