Team Teaching
Veröffentlicht am 10.11.2024
Team Teaching: Vorteile, Formen und Einsatzmöglichkeiten im modernen Schulunterricht
Wie benachteiligte und leistungsschwächere Schüler:Innen im konventionellen, staatlichen Schulbetrieb in Deutschland oft „untergehen“. Gehören wir bezüglich innovativer Unterrichtsmodelle zu den „Schlusslichtern“ in Europa?
„In den Schulen herrscht immer noch ein Konzept aus dem vorigen Jahrhundert: Man nehme eine Gruppe Kinder, einen Raum, einen Bildungsplan und eine Lehrkraft, die alles richten soll.“
So beurteilt Dagmar Schäfer, Initiatorin der Petition „Wandel für unsere Grundschulen“, die Anfang September 2024 in Baden-Württemberg dem dortigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), den Landtagsabgeordneten aller Fraktionen, dem Kultus- sowie dem Finanzministerium vorgelegt wurde, die Situation, mit der sich Lehrer:Innen an staatlichen deutschen Schulen aktuell nach wie vor konfrontiert sehen.
Nicht jedes Kind ist gleichermaßen in der Lage, dem Druck unserer Leistungsgesellschaft standzuhalten, dem es bereits als Schüler:In in unserem staatlichen Schulsystem ausgesetzt wird. Manch eines von ihnen bleibt dabei schlicht „auf der Strecke“. Besonders gefährdet sind etwa Kinder, die unter emotionalen Belastungen, psychischen Problemen oder Teilleistungsstörungen (z. B. Dyskalkulie, Legasthenie) leiden. Auch ein schwieriges soziales Umfeld, insbesondere familiärer Art, kann zu Lernbenachteiligungen führen, ebenso, wie in vielen Fällen die generellen Herausforderungen der Lebensphase Jugend. Schüler:Innen, die solche Problematiken nicht bewältigen, kann im klassischen deutschen Schulbetrieb oft nicht genug individuelle Förderung geboten werden, um ihre Potentiale zu entfalten. Die Gründe für diese Missstände liegen etwa in der Personalknappheit im Schuldienst, in mangelnder Lehrerfortbildung oder in zu großen Klassen. Die Klassengrößen lagen laut dem Statistischen Bundesamt in 2023/24 je nach Schulform durchschnittlich zwischen 19 und 26 Schüler:Innen pro Klasse1. Auch Schulklassen mit 30 und mehr Schüler:Innen sind durchaus keine Seltenheit.
Typische Auswirkungen sind Schulstress und Überforderung von leistungsschwächeren Schüler:Innen, die zu Schulversagen führen können. Dieses wiederum hat oft Schulangst und Schulvermeidung zur Folge. Zwar sind spezielle Förderstrategien im deutschen Schulsystem ansatzweise bereits vorhanden, wie z. B. zusätzliche Förder- und Ergänzungsangebote oder die Ganztagsbetreuung. In Bezug auf letztere ist ab 1. August 2026 bundesweit die stufenweise Umsetzung eines Rechtsanspruchs2 für Kinder im Grundschulalter nach dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) vorgesehen. Jedoch stellt sich die Frage, inwieweit die bisherigen, zum Teil ja erst geplanten Maßnahmen wirklich ausreichend sind. Als ein Indiz für die Schwächen des staatlichen Schulsystems in Deutschland kann neben den mäßigen Ergebnissen bei internationalen Schülerleistungsvergleichen, wie PISA, in den letzten Jahren unter anderem die hohe Zahl von Schulabbrechern ohne Schulabschluss herangezogen werden. So hat Deutschland derzeit die vierthöchste Schulabbrecherquote innerhalb der EU (in 2022: 12,2 %)3.
Als eine denkbare Option zur Verbesserung der Lage an unseren Schulen sollen in diesem Artikel die in Deutschland bislang nur wenig verbreiteten Mehrpersonen-Unterrichtsmodelle – oft auch kurz als „Team Teaching“ bezeichnet – vorgestellt werden.
Was ist Team Teaching?
Team Teaching ist ein kollaboratives Unterrichtsmodell, bei dem zwei oder mehr Lehrkräfte gemeinsam eine Klasse unterrichten. Es umfasst in der Regel die gemeinsame Unterrichtsplanung, -durchführung und –reflexion der beteiligten Lehrkräfte. Dieses Modell wird in verschiedenen Schulformen allmählich immer beliebter, besonders in inklusiven Klassen, wo es darum geht, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler einzugehen. Team Teaching nutzt flexibel die unterschiedlichen Kompetenzen der Lehrkräfte, um einen abwechslungsreicheren und differenzierten Unterricht zu ermöglichen. Doch wie funktioniert diese Methode genau, welche Formen gibt es, und welche Herausforderungen müssen überwunden werden?
Formen des Team Teachings
Team Teaching lässt sich in mehrere Modelle kategorisieren, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen:
- Tandem-Unterricht: Dies ist die häufigste Form des Team Teachings. Hierbei handelt es sich quasi um Team Teaching „im engeren Sinne“. Zwei Lehrkräfte unterrichten gemeinsam, teilen sich die Unterrichtsverantwortung und interagieren gleichwertig mit den Schülern. Diese Methode ermöglicht es den Lehrkräften, voneinander zu lernen, verschiedene pädagogische Ansätze zu kombinieren und den Unterricht abwechslungsreicher zu gestalten.
- Niveaudifferenziertes Unterrichten (Alternative Teaching): Eine Lehrkraft unterrichtet den Großteil der Klasse, während die zweite Lehrkraft mit einer kleineren Gruppe arbeitet, die entweder Nachholbedarf hat oder weiterführendes Material bearbeitet. Diese Methode ist insbesondere nützlich, um auf unterschiedliche Lernniveaus in einer Klasse einzugehen.
- Unterrichten und assistieren (One Teach, One Assist): Eine Lehrkraft übernimmt die Leitung des Unterrichts, während die andere Lehrkraft Schüler individuell unterstützt, sei es durch gezielte Hilfestellungen oder durch die Überwachung von Gruppenarbeiten. Als assistierende Kraft können neben ausgebildeten Lehrer:Innen auch sonstige pädagogische Fachkräfte, wie z. B. Lerntherapeuten, Psychologen oder Sozialarbeiter fungieren. Eine solche Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams beinhaltet besondere Chancen, da sich die einzelnen Mitarbeiter:Innen mit ihren jeweiligen fachlichen Schwerpunkten gegenseitig ergänzen. Nicht zuletzt ist diese Methode bei inklusiven Klassen sinnvoll, in denen es notwendig ist, Schüler mit Förderbedarf individuell zu betreuen.
- Paralleles Unterrichten (Parallel Teaching): Hier wird die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt, die von je einer Lehrkraft separiert unterrichtet werden. Diese Form eignet sich vor allem bei besonders großen Lerngruppen.
Diese flexiblen Modelle zeigen, wie vielseitig Team Teaching sein kann. Es geht darum, den Unterricht so zu gestalten, dass er den Bedürfnissen aller Schüler gerecht wird und gleichzeitig die Stärken der Lehrkräfte optimal genutzt werden.
Vorteile des Team Teachings für Schüler und Lehrer
Der größte Vorteil von Team Teaching liegt in der Individualisierung des Lernens. Gerade in Klassen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus und Bedürfnissen können zwei Lehrkräfte gezielt auf die einzelnen Schüler eingehen und den Unterricht anpassen.
Zu den Hauptvorteilen des Team Teachings gehören:
- Bessere Differenzierung: Durch die Arbeit im Tandem können Lehrkräfte den Unterricht stärker differenzieren, d.h. sie können Aufgaben, Materialien und Methoden an die unterschiedlichen Lernstände der Schüler anpassen. Schüler, die schneller vorankommen, erhalten anspruchsvollere Aufgaben, während leistungsschwächere Schüler intensivere Unterstützung bekommen.
- Mehr Perspektiven- und Methodenvielfalt: Jede Lehrkraft bringt ihre eigenen Erfahrungen, Kompetenzen und Lehrmethoden mit in den Unterricht ein. Dadurch entsteht eine größere Vielfalt an Lernmöglichkeiten, was besonders wichtig ist, um den verschiedenen Lerntypen in einer Klasse gerecht zu werden.
- Entlastung für Lehrer:Innen: Der Unterricht mit einem Co-Lehrer bewirkt auch eine Entlastung der Lehrkräfte. Die Verantwortung wird geteilt, was den Lehrkräften erlaubt, sich auch in schwierigen Situationen besser zu konzentrieren und Aufgaben effizienter zu verteilen. Das kann langfristig die Arbeitsbelastung reduzieren und die Qualität des Unterrichts erhöhen.
- Weniger Unterrichtsausfall: Wenn eine Lehrkraft unerwartet ausfällt, kann die zweite Lehrkraft einspringen und den Unterrichtsstoff fortführen. Dies sorgt für mehr Kontinuität im Lernprozess.
So sind denn auch die Bewertungen und Erfahrungsberichte, die man in der pädagogischen Literatur und im Netz zu diesem Thema findet, überwiegend positiv.
Als ein konkretes Beispiel hierfür sei etwa ein Pilotprojekt in Thüringen genannt, bei dem im Rahmen einer Studie die Korrelation zwischen Sozialpädagogischen Teamteaching (STT), bei dem eine Lehrkraft und ein(e) Sozialpädag:In gemeinsam eine Lerngruppe betreuen, an mehreren Schulen getestet und erforscht wird. Die Evaluation der bereits abgeschlossenen ersten Förderperiode (2019-2022) zeigt, dass Schüler mit Unterstützungsbedarf signifikant profitieren, da ihre Lernbarrieren besser erkannt und gezielt angegangen werden können. Eine zweite Förderperiode (2023-2025), bei der auch Kontrollgruppen miteinbezogen werden, befindet sich gerade in der Durchführungsphase4.
Ein Scoping Review (explorative Literaturstudie) des Berliner Instituts für Innovation und Technik (IIT) mit dem Titel „Multiprofessionelle Teams an Schulen“5 sieht in diesem Umfeld zwar insgesamt noch eine Forschungslücke, kommt aber zu dem Schluss: „Neben den Problemfeldern in der Zusammenarbeit wurde jedoch deutlich, dass die multiprofessionelle Zusammenarbeit sowohl für Schüler:innen als auch für die beteiligten Berufsgruppen vielfältige Vorteile bieten kann, vorausgesetzt, die Schulen schaffen geeignete Rahmenbedingungen (insbesondere in Bezug auf zeitliche und räumliche Ressourcen) für die Kooperation.“ (S. 5/6).
Herausforderungen beim Team Teaching
Obwohl Team Teaching viele Vorteile bietet, sind auch einige Herausforderungen zu beachten:
- Koordination und Kommunikation: Team Teaching erfordert eine enge Abstimmung zwischen den Lehrkräften sowie ggf. weiteren beteiligten Berufsgruppen. Sie müssen regelmäßig gemeinsam den Unterricht planen, ihre Aufgaben verteilen und den Fortschritt der Schüler besprechen. Diese enge Zusammenarbeit kann zeitaufwändig sein, insbesondere wenn die Lehrkräfte unterschiedliche Unterrichtsstile oder Erwartungen haben.
- Personalmangel: Viele Schulen, insbesondere in Deutschland, kämpfen mit einem akuten Lehrermangel. Das erschwert die Umsetzung von Team Teaching, da oft schlichtweg nicht genug Personal zur Verfügung steht. Große Klassen und ein Mangel an pädagogischen Fachkräften machen es schwierig, innovative Mehrpersonen-Unterrichtsmodelle flächendeckend einzuführen.
Allerdings existieren diesbezüglich in mehreren Bundesländern durchaus auch Lösungsansätze, wie etwa das Angebot eines freiwilligen pädagogischen Jahres, die Erleichterung von Quer- und Direkteinstiegen in den Schuldienst oder die Öffnung des Schuldienstes auch für Nichtakademiker mit einer passenden Berufsausbildung. Beispiel Baden-Württemberg: Dreijährige pädagogische Schulung für Sonderschulen (bereits umgesetzt) und demnächst auch für Grundschulen (in Planung).
- Kosten und organisatorische Hürden: Die Einführung von Team Teaching erfordert zusätzliche finanzielle Ressourcen. Zwei oder mehr Lehrkräfte in einem Klassenzimmer zu haben, ist teurer als der herkömmliche Frontalunterricht. Oft fehlt es den Schulen an den notwendigen Mitteln, um Team Teaching in den Alltag zu integrieren.
Verbreitung von Team Teaching und Unterrichtsmodellen mit multiprofessionellen Teams im internationalen Vergleich
Deutschland gehört im internationalen Vergleich oft zu den „Schlusslichtern“, wenn es um die Umsetzung von innovativen Unterrichtsformen, wie Team Teaching. geht. In Ländern wie Finnland oder Kanada sind multiprofessionelle Teams aus Lehrern, Sonderpädagogen und Schulpsychologen längst Teil des Schulalltags6. Diese Teams sorgen dafür, dass Schüler nicht nur fachlich, sondern auch emotional und sozial umfassend betreut werden. In Deutschland gibt es hingegen erst wenige Pilotprojekte, und die personellen sowie finanziellen Ressourcen für solche Modelle sind oft begrenzt. Am ehesten findet man solche innovativen Ansätze bei vereinzelten „Leuchtturm-Schulen“ in privater Trägerschaft. Angesichts der hohen Zahl von Schulabbrechern und der überdurchschnittlich hohen Quote an Schülern ohne Abschluss [vgl. oben] bleibt viel Raum für Verbesserungen.
Bleibt also zu hoffen, dass auch in Deutschland die Politik die Weichen für eine stärkere Verbreitung der hier beschriebenen Unterrichtsmodelle stellen wird. Doch der Weg dorthin ist noch lang. Und selbst im Falle einer positiven Weiterentwicklung wird es der staatliche „Massenschulbetrieb“, in dem der „Faktor Mensch“ oft nicht genügend gewürdigt werden kann, wohl nie ganz schaffen, jede Schülerin / jeden Schüler mit Förderbedarf individuell „aufzufangen“. Eine gute Alternative, um die Schwächen und Grenzen des konventionellen Schulsystems zu kompensieren, können übrigens private, ergänzende Unterstützungsangebote darstellen, wie etwa die des ganzheitlich und schülerzentriert arbeitenden Nachhilfeinstituts „die hauslehrer“. Denn hier werden den Schüler:Innen vonseiten pädagogisch und psychologisch geschulter Lehrkräfte in einer stress- und angstfreien Lernatmosphäre ein Maß an Zuwendung und Aufmerksamkeit zuteil, das ihnen im Schulalltag sonst kaum geboten werden kann. Nähere Informationen unter: https://www.hauslehrer.de/leistungen-angebot/.
Fazit: Die Zukunft des Team Teachings
Team Teaching ist ein vielversprechendes Modell, das das Potenzial hat, den Unterricht in heterogenen und inklusiven Klassen nachhaltig zu verbessern. Durch die Zusammenarbeit von Lehrkräften können Schüler individueller gefördert und Unterrichtsausfälle reduziert werden. Trotz der Herausforderungen in Bezug auf Personalmangel und Ressourcen könnte Team Teaching in Zukunft eine zentrale Rolle in der Bildungslandschaft spielen.
Deutschland hat hier im internationalen Vergleich noch einiges aufzuholen, doch die positiven Erfahrungen aus Pilotprojekten und aus anderen Ländern zeigen, dass Mehrpersonen-Unterricht ein Weg sein könnte, um den Herausforderungen des Bildungssystems gerecht zu werden und allen Schülern eine faire Chance auf Bildung zu bieten.
Verwendete Literatur:
2) https://www.stmas.bayern.de/ganztagsbetreuung/rahmenbedingungen/index.php
Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales: Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder – Rahmenbedingungen / Rechtsanspruch
DESTATIS (Statistisches Bundesamt): Schülerinnen und Schüler je Klasse.
https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/die-zehn-wichtigsten-ergebnisse-der-pisa-studie/
Anders, Florentine (2024): PISA-Studie: Die wichtigsten Ergebnisse und Reaktionen. Deutsches Schulportal der Robert Bosch Stiftung.
Grubitzsch/Relixius (Hrsg.): Psychologische Grundbegriffe. Mensch und Gesellschaft in der Psychologie. Reinbek 1987 Rowohlt Verlag
Hermes, Sandra (2023): Multiprofessionelle Teams – So arbeiten sie in Finnland, Kanada und der Schweiz. Deutsches Schulportal der Robert Bosch Stiftung.
openPetition: Primarstufe Baden-Württemberg #Machen wir Schulen zu guten Orten #Wandel für unsere Grundschulen
5) Otto, Stephan; Wasserfuhr, Veit (2024): Multiprofessionelle Teams an Schulen. Ein Scoping Review. iit-perspektive Nr. 73.
Institut für Innovation und Technik, Berlin.
(Download-Link: https://www.iit-berlin.de/publikationen/)
SWR Aktuell: Bürgerinitiative will Tandem-Unterricht – Freiburg als Modell? Petition für zwei Lehrkräfte in Grundschulklassen
Werner, Christopher (2021): Schulabsentismus als jugendliches Problemverhalten. Erklärungsansätze und Möglichkeiten der sozialarbeiterischen Auseinandersetzung.
In: Abschlussarbeiten im Kontext der Handlungsfelder Nonformaler Bildung. Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung.
4) https://www.teamteaching.de/116/erfolgsmomente-1
Wissenschaftliche Evaluation des Programms Sozialpädagogisches Teamteaching
Evaluation des Sozialpädagogischen Teamteachings an Thüringer Schulen: eine Studie zur Erforschung der Wirk- und Gelingens-Faktoren (EvaTeamTeach)
3) https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2024-02/schulabbrecher-quote-deutschland-eu-durchschnitt
ZEIT ONLINE: Deutschland hat EU-weit die vierthöchste Schulabbrecherquote