Burnout bei Kindern
Veröffentlicht am 19.10.2015
Burnout nicht nur im Erwachsenenalter, sondern auch schon bei Kindern und Jugendlichen?
Nicht nur immer mehr Erwachsene sind von Burnout betroffen. Auch immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter einer „Erschöpfungsdepression“ und füllen deutschlandweit die Arztpraxen. Immerhin 20-30% aller deutschen Kinder und Jugendlichen gaben in einer Befragung einer Studie der Weltgesundheitsorganisation an, sich häufig erschöpft zu fühlen.
Mögliche Ursachen für Burnout bei Kindern und Jugendlichen
Der Grund für die Zunahme von Burnout im Kindes- und Jugendalter hängt mit dem allgemeinen gesellschaftlichen Umbruch zusammen, in dem schon Kindern und Jugendlichen die stabilen Konstanten, Sicherheit und ein positiver Blick in die Zukunft fehlen.
Unsere Gesellschaft ist eine Leistungsgesellschaft. Schon Grundschüler stehen unter Druck, unbedingt die Empfehlung für das Gymnasium zu erhalten. Ein Abitur mit einem schlechten Notenschnitt ist nichts wert, da dem angehenden Abiturienten sonst nicht mehr alle Studienfächer offen stehen.
Viel zu früh – zumeist schon nach der 4. Klasse – wird an deutschen Schulen selektiert und entschieden, ob ein Kind eine Hauptschule, eine Realschule oder ein Gymnasium besucht. Schon im Alter von 9 oder 10 Jahren wird über die weitere Schullaufbahn unserer Kinder entschieden. Auf ein individuelles Entwicklungstempo vieler Schüler wird hier keine Rücksicht genommen. Schafft ein Kind beispielsweise den Übertritt auf das Gymnasium nicht, kann dies schon früh zu einem mangelnden Selbstwertgefühl führen, da Kinder das Gefühl vermittelt bekommen, nicht zu genügen und nicht erfolgreicher Teil unserer Leistungsgesellschaft zu sein. Schon im Grundschulalter werden den Schülern so die Lust am Lernen und die Motivation für Schule genommen.
Auch auf der weiterführenden Schule, insbesondere auf den Gymnasien, werden Kinder und Jugendliche mit dem alltäglichen Schulstress und dem Druck ,gute Noten zu schreiben, konfrontiert.
Die heutige Kindheit und Jugend wird von Eltern manchmal bis zur letzten Minute verplant und überwacht. Vormittags gehen die Kinder zur Schule und immer mehr Schulen bieten Nachmittagsunterricht und Arbeitsgemeinschaften an. Viele Schüler lernen täglich bis in die Abendstunden und haben nicht selten – wie Erwachsene- eine 40-Stunden-Woche. In der restlichen eigentlichen (Frei-) zeit gehen die Kinder zum Klavierunterricht, zum Reiten, zum Gesangsunterricht … Selbst in den Ferien dürfen viele Kinder und Jugendlichen nicht einfach mal die Seele baumeln lassen. Auch in den Schulferien wird jede freie Minute verplant mit einem Akrobatik-Workshop, einem Skatekurs, Malkurs oder zusätzlichem Englischtraining.
Bei den meisten Kindern und Jugendlichen ist heutzutage das Gefühl vorherrschend, selbst nichts entscheiden zu dürfen und für ihr Leben nicht selbst Verantwortung übernehmen zu können. Ein Gefühl des Ausgeliefertseins macht sich bei unseren Kindern breit. Gestalter des eigenen Lebens zu sein, ist eine sehr wichtige Grunderfahrung, die man schon in der Kindheit machen sollte. Gerade aus der Langeweile und dem Nichtstun heraus ergeben sich die kreativsten Ideen. Kinder und Jugendliche benötigen Zeit und Raum, sich selbst kennenzulernen und zu erfahren, wer sie überhaupt sind, was sie können und wo ihre Stärken und Schwächen liegen.
Woran erkenne ich Burnout bei meinem Kind?
- Ihr Kind möchte morgens nicht mehr aufstehen und nicht mehr zur Schule gehen
- Ihr Kind hat ohne eine Veränderung des Essverhaltens zu- oder abgenommen
- Autoaggressives Verhalten Ihres Kindes
- Bettnässen
- Plötzlicher Leistungsabfall in der Schule
- Ihr Kind zieht sich zurück und möchte sich auch nicht mehr mit Freunden treffen
- Angst- und Panikattacken
- Resignation bei zu bewältigenden Leistungen
Die schrittweise Entwicklung eines Burnouts
Viele von uns haben die Vorstellung im Kopf, dass Kinder von ihren ehrgeizigen und leistungsorientierten Eltern in den Burnout getrieben werden. Dies ist aber meist nicht der Fall, da Kinder und Jugendliche, die von ihren Eltern zu sehr drangsaliert werden, früher oder später gegen den vorherrschenden Leistungsdruck rebellieren, sich zur Wehr setzen und letzten Endes häufig auch komplett verweigern.
In Wirklichkeit sind es eher die Schüler und Schülerinnen selbst, die von sich zu viel fordern und sich selbst zu stark unter Druck setzen. Die meisten Kinder und Jugendlichen, die dazu neigen, Burnout zu entwickeln, sind perfektionistisch veranlagt, extrem ehrgeizig und überangepasst. Dies alles in Kombination mit einem geringen Selbstwertgefühl führt dazu, dass sie anderen beweisen müssen, gut genug zu sein. Aufgrund ihres Überangepasstseins wird ihr Ausgebranntsein von Eltern und Lehrern häufig nicht wahrgenommen, da die Kinder und Jugendlichen zunächst einmal ja erwünschtes Verhalten an den Tag legen.
Welcher Lehrer und welche Eltern wünschen sich nicht ein lernbereites, motiviertes und ehrgeiziges Kind? So verwundert es nicht, dass ein Zuviel zunächst einmal nicht unbedingt als problematisch erachtet wird.
Ein Burnout entwickelt sich langsam in mehreren Schritten und nicht von einem Tag auf den anderen. Oftmals wird erst erkannt, dass etwas nicht stimmt, wenn Anforderungen und persönliche Ressourcen nicht mehr im Gleichgewicht stehen und das Kind oder der Jugendliche mit körperlichen Symptomen und depressiven Verstimmungen reagiert.
- Zunächst möchte der Schüler oder die Schülerin sich selbst und anderen beweisen, dass er/sie fähig ist, gute oder sehr gute Leistungen zu erbringen. Kinder und Jugendliche, die dazu neigen, Burnout zu entwickeln können sich nur schwer abgrenzen, haben nicht gelernt, auch mal „Nein“ zu sagen und wollen es allen recht machen. Viele Betroffene lernen bis spät in die Nacht für die Schule.
- Im nächsten Schritt nehmen die Kinder und Jugendlichen eigene körperliche Grundbedürfnisse nicht mehr richtig wahr. Die Betroffenen distanzieren sich von ihren Freunden, essen und schlafen nur noch wenig.
- Auch körperliche Warnsignale werden übergangen. Viele Kinder und Jugendliche leiden zu diesem Zeitpunkt beispielsweise unter Kopfweh, sind verspannt oder haben Probleme, einzuschlafen und durchzuschlafen
- Damit der Körper wieder wie gewünscht arbeitet, greifen viele Schüler und Schülerinnen zu Medikamenten, alkoholischen Getränken und Drogen.
- In der nächsten Phase isoliert sich das Kind/der Jugendliche immer mehr von seiner Familie, der Verwandtschaft und Freunden.
- Bevor es zum kompletten Zusammenbruch kommt, findet bei den Betroffenen eine starke Persönlichkeitsveränderung statt. Gefühle, Freude, Genuss, auch mal faul sein, Witz, Spaß am Leben und Neugierde bleiben auf der Strecke. Einzig und allein die Leistung zählt noch.
Wie können Eltern ihrem Kind helfen?
Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Kind unter Burnout leidet?
Suchen Sie zunächst einmal einen ruhigen Moment, in dem Sie mit Ihrem Kind über das Problem sprechen können. Hierbei empfiehlt es sich die „Klientenzentrierte Gesprächsführung“ nach Rogers anzuwenden. Ihr Hauslehrer zeigt Ihnen gerne, wie Sie damit Ihr Kind dabei unterstützen können, sich selbst zu analysieren, zu erkennen und die Lösung für das Problem in sich selbst zu finden. Vorwürfe und Schuldzuweisungen bleiben beim Anwenden dieser Kommunikationstechnik außen vor.
Viele Betroffene verfügen nur über mangelhafte Stressbewältigungsmechanismen und Entspannungstechniken. Unterstützen Sie Ihr Kind, indem Sie ihm die Möglichkeit geben, Entspannungstechniken zu lernen. Yogakurse, Kurse für Autogenes Training oder (seriöse) Meditationskurse können dabei helfen, die Fähigkeit zur Entspannung wieder zu entwickeln. Hier ist der erste Schritt schon getan, wenn Ihr Kind die Fähigkeit erlern,t Anspannung und Verspannungen überhaupt wahrzunehmen. Mit Hilfe eines gezielten Zeitmanagements, in dem auch Freizeit bewusst einen Platz erhält und der Vermittlung von Organisationstechniken lernt Ihr Kind nach und nach, Lernen und Leben in Balance zu halten.
Holen Sie sich professionelle Hilfe und zögern Sie nicht, einen Lehrer, einen Psychologen und/oder den Schulpsychologen hinzuzuziehen.
Ein Beitrag unserer Konrektorin für das Rhein-Main-Gebiet, Regina Henkelmann.