Schlechtes Halbjahreszeugnis – Was Eltern tun können
Veröffentlicht am 28.01.2022
Ist das erste Schulhalbjahr nicht gut gelaufen, graut es vielen Schülerinnen und Schülern vor einem schlechten Halbjahreszeugnis oder gar einem „blauen Brief“, in dem den Eltern erklärt wird, dass die Versetzung gefährdet ist. Bei schlechten Noten in Leistungsüberprüfungen oder auf dem Halbjahreszeugnis gibt es oft Wortgefechte zwischen den Kindern und den Eltern. Falsche Reaktionen oder Vorwürfe der Eltern sind für die Kinder oft demotivierend und führen nicht selten zu zwischenmenschlichen Spannungen in der Familie.
Doch wie sollten Eltern reagieren bei schlechten Noten, einem schlechten Halbjahreszeugnis oder gar einem „blauen Brief“, in dem angekündigt wird, dass die Versetzung gefährdet ist? Viele Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch viele Schullehrkräfte raten den Eltern zu mehr Gelassenheit.
Was das Halbjahreszeugnis aussagt
Noten auf Halbjahreszeugnissen dienen Schülerinnen und Schülern zur Information und zeigen einen zusammengefassten Leistungsstand des ersten Schulhalbjahres auf. Dabei haben diese Noten aber nur bedingte Aussagekraft, weil Bewertungsmaßstäbe nicht nur fächerbezogen, sondern auch lehrkraftbezogen unterschiedlich sein können und gerade eine schlechte Zeugnisnote nicht darstellt, wie die Leistungsentwicklung im Bewertungszeitraum war. Bei schlechten Noten auf dem Halbjahreszeugnis kann für Kinder und Jugendliche enormer Leistungsdruck entstehen, wenn es ums Sitzenbleiben, um Empfehlungen für weiterführende Schulen oder um Bewerbungen geht.
Positives sehen und alle Noten besprechen
Bei schlechten Noten neigen Eltern oft dazu, nur diese Noten, also das Schlechte zu sehen. Dabei ist eine gute Note in Kunst, Sport, Musik und in einem Lieblingsfach oder bei einem Lieblingslehrer mindestens genauso wichtig. Eltern sollten daher jede Zeugnisnote für sich besprechen, jede schlechte, aber auch jede gute. Dabei können die nachfolgenden Fragestellungen ein guter Ansatz sein:
- Wie sieht die Schülerin oder der Schüler die eigene Note im Vergleich zur Lehrkraft?
- Was macht das Schulfach interessant oder uninteressant?
- Wie ist das persönliche Verhältnis zur jeweiligen Schullehrkraft? Gab es Probleme?
- Gibt es zwischenmenschliche Probleme mit Mitschülerinnen oder Mitschülern?
- Wie sieht es mit der Mitarbeit und der Konzentration im Unterricht aus?
Motivation statt Vorwürfen und Bestrafung
Schlechte Noten sind für fast alle Lernenden sehr unangenehm. Es ist ihnen peinlich und sie schämen sich dafür. Nicht selten sind sie der Häme der Schulklasse und der öffentlichen Kritik der Lehrerin oder des Lehrers ausgesetzt. Eltern sollten da nicht auch noch „ins gleiche Horn blasen“. Beschimpfungen oder Bestrafungen führen eher zu weiterer Demotivation, statt zu einem besseren Notenbild. Die üblichen Aussagen wie zum Beispiel: „Du musst dich mehr anstrengen!“ oder „Du musst einfach mehr lernen!“ sind fehl am Platz. Eltern sollten vielmehr einen konkreten Ausweg aufzeigen, wie die Schulleistungen realistisch verbessert werden können und dementsprechende Hilfe anbieten. Dazu gehört auch, Kinder und Jugendliche bei schlechten Noten richtig zu motivieren, ihr Lernverhalten und ihre Lernmethoden zu überprüfen sowie, falls notwendig, in bestimmten Bereichen zu verändern. Hierbei sollte aber immer eine positive Verhaltensänderung statt einer besseren Note das Ziel sein.
Selbstbewusstsein des Kindes stärken
Schülerinnen und Schüler mit schlechten Noten haben oft Probleme mit ihrem Selbstbewusstsein. Sie vergleichen sich mit anderen Kindern ihrer Klasse oder ihres Freundeskreises, fühlen sich weniger intelligent und weniger wert. Eltern sollten ihren Kindern zeigen, dass sie sie trotz schlechter Noten lieben und zu ihnen stehen. Alle Kinder und Jugendlichen haben ihre Stärken und wunderbare persönliche Eigenschaften, die es zu stärken und weiterzuentwickeln gilt. Ein ernst gemeintes Lob kann hierbei sehr hilfreich sein.
Ein gesundes Selbstbewusstsein kann auch dabei helfen, schulische Leistungen zu verbessern. Damit gehen Kinder und Jugendliche zum Beispiel besser mit schlechten Noten um, sind selbstsicherer in Gruppenarbeiten oder trauen sich mehr in der mündlichen Mitarbeit.
Noten sind nicht alles
Im deutschen Schulsystem sind Noten wichtig, gerade wenn es um die berufliche Zukunft, die Versetzung oder den Wechsel der Schulform geht. Das wird sich auch in naher Zukunft nicht ändern. Aber dennoch sollten Lehrkräfte und Eltern dies nicht überbewerten. Denn neben den bewerteten Kompetenzen in den Schulfächern können Kinder und Jugendliche viele tolle andere Kompetenzen haben, wie zum Beispiel Ausdauer- und Durchhaltevermögen, Empathie, Zuverlässigkeit, Toleranz oder Höflichkeit. Eltern, aber besonders auch die Lehrkräfte, sollten daher immer wieder den Kindern und Jugendlichen klar vermitteln, dass einen guten oder besonderen Menschen weit mehr ausmacht als nur gute oder schlechte Zeugnisnoten.
Gründe für die schlechten Noten erkennen
Gründe für schlechte Noten können vielfältig sein. Dementsprechend sind auch die Lösungsansätze vielfältig. Häufige Gründe sind jedoch:
- Wissenslücken und fehlenden Grundlagen
- falsche Lerntechniken
- ungenügende Hausaufgabenarbeit
- unzureichende Lernzeiten und ungeeignete Lernumgebung
- familiäre Probleme, Ärger im Freundeskreis und in der Klassengemeinschaft
Die Eltern sollten sich genügend Zeit nehmen, um in Gesprächen mit ihren Kindern Ursachen schlechter Noten zu ergründen und um ihren Kindern Lösungsmöglichkeiten anbieten zu können.
Erwartungshaltungen überprüfen
Eltern wollen, dass es ihren Kindern besser geht, dass sie erfolgreich werden und haben dadurch an ihrer Kinder hohe Erwartungen. Richten sich diese hohen Erwartungen am Leistungspotential der Kinder und Jugendlichen aus, schreiben diese bessere Noten oder werden tatsächlich im späteren Leben auch erfolgreich.
Liegen die Erwartungen der Eltern jedoch weit über dem Leistungspotential ihrer Kinder, können letztere nur enttäuschen. Das ist für Kinder und Jugendliche demotivierend, führt oft zu Schulfrust und in der Folge zu schlechten Noten.
Eltern sollten daher Ihre Erwartungen in regelmäßigen Abständen überprüfen und gegebenenfalls nach oben oder unten korrigieren.
Bei Schullehrkräften Rat suchen
Natürlich können sich Eltern an die Lehrkräfte wenden, aber nicht nur bei schlechten Noten, sondern auch bei guten. Dabei ist aber zu bedenken, dass schlechte Noten in der Regel begründet sind und nicht mutwillig oder leichtsinnig von Lehrern und Lehrerinnen vergeben werden. Deshalb sollten sich Eltern weniger mit Vorwürfen, sondern eher Rat suchend an die Schule wenden. Viele Lehrkräfte sind erfahren genug, um den einen oder anderen guten Rat zu geben.
Über gezielte Nachhilfe nachdenken
Eigentliche Aufgabe der Schule ist, Schülerinnen und Schüler Wissen anwendungsbereit zu vermitteln und Lerntechniken zu lehren und zu üben. Auch ist es Aufgabe der Schule, im Bedarfsfall den Regelunterricht durch zweckmäßige Förderangebote zu ergänzen. Trotzdem kann es sinnvoll sein, das schulische und häusliche Lernen durch eine geeignete außerschulische Nachhilfe zu ergänzen.
Eltern, die nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um eine Nachhilfekraft bezahlen zu können, sollten sich beim Jugendamt oder beim Jobcenter über Fördermöglichkeiten informieren. Unter bestimmten Voraussetzungen unterstützt der Staat mit dem Bildungsgutschein für Nachhilfe Familien, wenn Kinder eine außerschulische Förderung benötigen.
Fazit
Kinder und Jugendliche wissen oftmals, wie es zu einer schlechten Note gekommen ist. Schlechte Noten kommen nicht „von jetzt auf gleich“, haben ihre Entstehungsgeschichte und genaue Ursachen. Für die Verbesserung des Notenbildes müssen nicht nur Schüler und Schülerinnen etwas tun, sie benötigen auch die dauerhafte Unterstützung ihrer Eltern. Aussagen wie: „Was willst du mit den Noten denn mal werden?“, „Mit diesem Zeugnis wird nie etwas aus dir!“ oder „Du bist eine Enttäuschung für uns!“ sollten tunlichst vermieden werden. Sie setzen Kinder und Jugendliche nur in ihrer Persönlichkeit herab, machen ihnen Vorwürfe und zerrütten das innerfamiliäre Verhältnis.
Quellen:
- Bachmeier (01.Februar 2019), Schlechtes Halbjahreszeugnis – was nun?, Bild online – Lehrerblog, https://www.bild.de/ratgeber/bildung/bildung-schule-studium/lehrerblog-schlechtes-halbjahreszeugnis-was-nun-59857864.bild.html, abgerufen am 16. Januar 2022
- Marina Brafa (03.Februar.2014), Schlechtes ZeugnisNote fünf – na und?, StN.de Stuttgarter Nachrichten online, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.schlechtes-zeugnis-note-fuenf-na-und.96eaa04f-7e5c-4f38-b698-24d362e8f0b2.html, abgerufen am 15. Januar 2022
- Michaela Knecht: Wie die Erwartungen der Eltern die Leistung der Kinder beeinflussen, Universität Zürich. https://www.psychologie.uzh.ch/de/bereiche/dev/lifespan/erleben/berichte/erwartung.html, abgerufen am 13. Januar 2022